Stellungnahme zum Thema "Gutachten zur Haltung von Herdenschutzhunden" von Dr. Dorit Fedderson-Petersen gegenüber dem Tierschutzverein CANIS (29.September 2000)

Wir danken dem Tierschutzverein CANIS für die freundliche Erlaubnis für die Veröffentlichung dieses Textes auf unserer WebSite.

Liebe Hundefreunde!

Die Veröffentlichung des oben erwähnten Gutachtens führte mancherorts zu schweren Irritationen. Grund dafür waren einige Passagen aus dem Schriftstück, die sich u.a. auf Weitervermittlung, Zwingerverwahrung oder schlicht Rassenbeschreibungen von Herdenschutzhunden bezogen. Schon nach wenigen Tagen setzte eine neue Debatte pro und contra Dr. Feddersen-Petersen ein, Sekundär- und Tertiärquellen machten die Runde und vorgefaßte Meinungen prallten aufeinander. Um die Debatte in sachliche Bahnen zu lenken, ist es ein Muß, der Autorin des Gutachtens Gelegenheit zu geben, auf die einzelnen Kritikpunkte einzugehen bzw. Mißverständnisse auszuräumen.

Der Tierschutzverein CANIS bat Dr. Feddersen-Petersen daher, zu den wichtigsten Punkten um Stellungnahme.

CANIS: In Ihrem Gutachten raten Sie von einer Weitervermittlung von Herdenschutzhunden (HSH) ab, was von einigen Politikern de facto als Freibrief zur Euthanasie der Tiere ausgelegt werden könnte.

Dr. Feddersen-Petersen: Ich bin nicht gegen eine Weitervermittlung von HSH. Ich habe nur zu bedenken gegeben, daß diese Hunde besonderer Fachkunde seitens ihres Menschen bedürfen, wie andere Hunde mit besonderen Haltungs- und Lebensansprüchen auch. Auch andere Hunde sollten nicht - bei Auftreten von Problemen - ins Tierheim gebracht oder "ausgetauscht" werden. Für Hunde, die sehr sensibel und eigenständig sind und deren Verhaltensorganisation Halter mit fundiertem Wissen darüber wie auch besonderem Feingefühl benötigen, muß so etwas betont werden, wenn man über die Ansprüche eben dieser Hunde berichten soll. Denn werden Hunde auffällig, ist es um sie geschehen. 

Was ich auch stets relativierend schrieb. Das heißt genau: es gibt keinen Grund, sie irgendwie hervorzuheben, vielmehr sollten bei Jagdhunden, Schutzhunden und allen spezialisierten Hunden im Sinne des Tierschutzes die speziellen Bedürfnisse auch weit mehr geachtet werden als es allgemein hin Usus ist. Das sollte heißen: es müßte bei ALLEN Hunden geschehen, bei solchen, die nicht unter das 40/20-"Gesetz" fallen oder in irgend eine andere (in meinen Augen) hochgradig unsinnige Liste. 

Wer aus diesen Empfehlungen zur Haltung, die ich ursprünglich ja auch geben sollte ("Was sind das für Hunde, die gehören nicht hierher"- und das finde ich nicht, halte es aber für unumgänglich, ihre Besonderheiten zu kennen und zu achten) herausliest, daß man HSH töten sollte, wenn aus ernsthaften Gründen ein Besitzerwechsel zu erwägen ist, der hat mich nicht verstanden. Oder ich habe ihn nicht erreicht. Oder er wollte mich nicht verstehen. 

CANIS: Eine pauschale Empfehlung, 250cm hohe Zäune samt nach innen gerichteten Schrägabweisern zu errichten, erinnert zum einen an den Bau von Wolfsgehegen (der Hund als gefährliches "Raubtier") und begünstigt das Entstehen einer Zweiklassengesellschaft von Hundehaltern. Jene, die sich solch teure Anlagen leisten können und jene, die dazu nicht in der Lage wären. Somit wäre wiederum das Tier der Leidtragende. Eine weitere Empfehlung Ihrerseits, HSH zeitweise in Zwingern unterzubringen - um eine eventuelle Gefährdung von Besuchern zu vermeiden - könnte ja wieder von einer a priori-Gefährlichkeit dieser Rassen zeugen.

Dr. Feddersen-Petersen: Die Zäune und der Zwinger beziehen sich auf nicht menschensozialisierte Tiere, es sind Empfehlungen, die ich den Arbeiten von Fachleuten (Coppinger u.a.) entnahm. Diese Empfehlungen besagen nicht, daß diese SEHR HETEROGENE GRUPPE, DIE SICH NICHT SO ZUSAMMENFASSEN LÄßT (und das ist die Crux des kurzen Statements, zu dem ich dennoch stehe, denn, was gewünscht wurde, war etwas ganz anderes... und hätte auch andere Folgen gehabt) stets Zäune benötigt, zum Teil aber wie beschrieben sicher zu halten ist, daß zum Beispiel ein Owtscharka, der nicht menschensozialisiert ist, eben nicht einfach irgendwo herumläuft. Denn, wenn etwas geschieht, ist das Geschrei groß. Und es soll ja auch nichts geschehen. 

CANIS: Ihre Erwähnung weiterer Rassen (Bernhardiner, Nordische) könnte Personen wie Frau Höhn dazu verleiten, den Rassenkatalog noch zu "komplettieren"... 

Dr. Feddersen-Petersen: Die Erwähnung weiterer Rassen soll Frau Höhn nicht auf die Idee bringen, diese nun auch auf die Liste zu setzen, sondern ist immer aus Gründen der Relativierung erfolgt (der Dackel ist auch dabei). Diese Schlußfolgerung ist geradezu abstrus für mich. Ich habe damit gesagt: die HSH können besondere Ansprüche haben, denen müssen wir nachkommen, dann halten wir sie rassegerecht / tiergerecht - aber das ist bei anderen Hunden, im Prinzip bei allen Hunden - ebenso. Also die Botschaft war und ist: 

Rasselisten sind willkürlich, unwissenschaftlich und nicht belegbar, bewirken nur, das die Tiere stigmatisiert werden (deshalb der Satz: Sollen sie zu den "Kampfhunden" von morgen stigmatisiert werden? Dieser Satz wurde auch mißverstanden, als Anregung an Frau Höhn, nein, es ist eine entsetzte Frage!!!) und als "gefährlich" eingestuft werden, was sie bei rassegemäßer Behandlung keineswegs sind, nicht mehr als andere große Arbeitshunde (und da gibt es ja nun sehr, sehr viele). Da sind wir schnell bei allen Hunden, denn kleine habe ich auch genannt. 

CANIS: Besteht zwischen dem Gutachten und Ihrem Redebeitrag anläßlich der Anhörung der Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen vom 21.08.2000 nicht eine Diskrepanz? 

Dr. Feddersen-Petersen: Es gibt keinerlei Diskrepanz zu meinen sonstigen Ausführungen: ich bin strikt gegen Rasselisten (aus den immer wieder dargelegten Gründen), jedes Tier entwickelt sich in seinem speziellen Umfeld, mit seinem speziellen Halter oder seinen Haltern, es finden stets Wechselwirkungen zwischen der genetischen Anlage und den spezifischen/unspezifischen Reizen des Umfeldes statt. Es gibt keine gefährlichen Rassen. Um kein gefährliches Individuum entstehen zu lassen, muß es rassegerecht (oder tiergerecht) gehalten werden, müssen Kenntnisse vorhanden sein - und Deutsche Schäferhunde können nicht wie Pudel, Zwergschnauzer nicht wie Bernhardiner gehalten werden. Diese Besonderheiten in der Anforderung an Haltung wie Behandlung gelten auch für bestimmte oder mehrere oder alle HSH einer bestimmten Population (je nachdem). 

Ich habe nicht als Politikerin geschrieben, die bin ich nicht, sondern als Ethologin, die bittet, auch die Grautöne zu sehen und die erreichen möchte, daß Interesse und Verstehen auch bei Politikern geweckt werden - daß nicht nur Sprechblasen, glatt und nichtssagend, ausgetauscht werden, daß Hunde als wundervolle Haustiere sehr unterschiedliche Ansprüche haben, die wir erfüllen müssen, wenn Tierschutz und Menschenschutz konform laufen sollen. Das war und ist mein Anliegen. Und ich finde durchaus, daß "sie" (welche Rassen nun auch immer gemeint sind) hierher, zu uns, gehören, wenn ihre Eigenarten geachtet werden. Und das gilt für alle Rassen.

©Tierschutzverein CANIS, 9/2000

Wie mit der Autorin vereinbart, darf die Verbreitung des gesamten Inhaltes bzw. von Auszügen daraus nur nach schriftlicher Genehmigung beim Tierschutzverein CANIS erfolgen. Copyrightverletzungen werden juristisch geahndet. 

Anfragen unter: canis@aon.at 


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